Im Hausboot durch die Gewässer von Berlin

Berlin wird immer mehr Berlin. Humorgemüt ins Große.
Es wär mein Wunsch: Es anzuziehn Wie eine schöne Hose.

Und wär Berlin dann stets um mich Auf meinen Wanderwegen,
Berlin, ich sehne mich in dich. Ach, komm mir doch entgegen.

Joachim Ringelnatz

Basis Zeuthen

Basis der Firma Kuhnle in Zeuthen

Text: Andrea Horn
Fotos: Wyn Hoop

Im Südosten von Berlin, in Zeuthen soll’s losgehen, 35 S-Bahnminuten vom Zentrum entfernt. Das Dorf  am gleichnamigen See ist weltvergessen und ein wenig verschlafen. Kleine Straßen heißen wie ihre Alleebäume: Erlenstraße, Eichenweg, Buchenallee, Birkenweg, Hochwald. Viel Grün im Dorf und zum Wasser hin, Bauernhöfe, Kopfsteinpflaster, mittendrin ein Bächlein. Die schönen Villen von vor und nach der Wende fallen vorerst nicht ins Auge, die meisten von ihnen stehen direkt am Ufer. 

In der Dorfaue finden wir die Kuhnle-Basis. Unser Hausboot, die „Carla“, eine tonnenschwere Dame aus Stahl vom Typ Kormoran, behäbig und zuverlässig, liegt friedlich am Steg und erinnert ein wenig an eine Lokomotive auf dem Wasser.

Villa am Dahmefluß


Die Flüsse Dahme, Spree und Havel bilden annähernd 200 km schiffbare Wasserstraßen inklusive Seen in und um Berlin. Fast alle sind von großen Wald- und Heidegebieten umgeben und bieten erholsame Ankerplätze. Der Blick auf die Karte zeigt, dass sich die großen Seengebiete Berlins am Ost- und Westrand der Stadt ausdehnen. Zeuthen liegt mitten drin im östlichen Seenlabyrinth. Dichtes Grün schmückt die Ufer, Halbinseln stechen wie Hörner ins Wasser, kleine Inseln mogeln sich dazwischen.

Klein Venedig

Müggelspree, Neu Venedig


Eine zauberhafte Idylle sind die „Datschen“ von Klein Venedig, Schrebergartenhäuschen am Kanalgewirr rechts von der Müggelspree, mit Spitzengardinen, niedlichen Vorgärten und kleinen Booten davor. So manchem kann man beim Vorbeifahren in die Kaffeetasse schauen.
Auch direkt an der Müggelspree stehen Datschen, am anderen Ufer hübsche Villen, die dort parkenden Boote sind bedeutend größer. Vereinfacht lässt sich sagen: rechts wohnt das Kapital, links die Gemütlichkeit.

 

Die Hausboote von Firma Kuhnle steuern sich gemütlich und problemlos


Wir trödeln durch beinahe unberührte Natur, eine grüne Hölle aus Märkischer Kiefer und allen Arten von Laubbäumen. Trauerweiden lassen ihre Zweige tief ins Wasser hängen. Die Vogelwelt protzt richtiggehend mit Artenvielfalt, vom Eisvogel bis hin zu den Schwänen, und über allem liegen Finkenschlag und ein großes Zwitscherkonzert.


Surfer, Segler und Paddler kreuzen unseren Weg, jede Menge Motorboot-, Segel- und Ruderclubs gibt es hier, die Jugend übt in Optis, und wir staunen über die unzähligen Boote, die überall vertäut sind. Biergärten laden zum Verweilen ein, Berlin hat eine beneidenswerte „Wasser-Gastronomie“: Anleger vor Kneipen und Restaurants. So lässt es sich leben.

Ein unsterblicher Hauptmann

Anlegestelle im Frauentrog, beim Zentrum von Berlin-Köpenick


Berufsschiffahrt und hohe Häuser. Die Nähe zur Großstadt wird spürbar, und ehe wir uns versehen ist Köpenick erreicht. Das Rathaus kündigt die Altstadt an,  von der Schlossinsel strahlt uns das frisch herausgeputzte Schlösschen entgegen, an seine Rückseite schmiegt sich die dazugehörige Kirche. Nebenan, im Frauentrog, werden wir die Nacht verbringen. Angler sitzen an der Böschung, der Park dient als Puffer gegen den Großstadtverkehr. Unnötig zu sagen, dass der bewusste Hauptmann so manche Hauswand ziert oder als Figurine mit Pickelhaube als Türsteher zu sehen ist. Kleine alte Häuser säumen den Kietz, die wichtigste Gasse im gleichnamigen Viertel, die zum historischen Flußbad führt. Hier sind Künstler zu Hause und das Terrassenrestaurant „Krokodil“. In der Abenddämmerung sieht die Spree von hier besonders romantisch aus.


Weiter geht’s in Richtung Zentrum, durch die Abteibrücke bei der idyllischen Insel der Jugend zum Treptower Park, ein Paradies für Spaziergänger, Jogger, Radfahrer und Muttis mit Kinderwagen. Außerdem ist der hiesige Anleger ein wunderbarer Startplatz für einen Ausflug zur City, denn mit den Liegemöglichkeiten im Herzen der Stadt ist es nicht weit her. Man setzt sich besser in die S-Bahn und fährt zum Alex oder zur Friedrichstraße, je nachdem, in welcher Richtung man „Unter den Linden“ flanieren will, vom Brandenburger Tor und dem Adlon zum Dom oder umgekehrt.

Borofskys Philosophie der Moleküle


Auf Fotos hatten wir ihn schon gesehen, den „Molecule Man“ des US-amerikanischen Künstlers Jonathan Borofsky, aber jetzt, als er  völlig unerwartet hinter der Treptower Elsenbrücke gute 30 Meter hoch aus dem Wasser ragt, sind wir überwältigt. Drei Figuren aus durchlöchertem Aluminium, die in der Mitte aufeinander treffen. Ihre Füße heben beinahe vom Wasser ab. Raufen sie, tanzen sie? Das ist nicht die Frage.

Die Plastik "Molecule Man" des amerikanischen Bildhauers Jonathan Borofsky
in Berlin-Treptow, gleich neben dem Treptower Park.

Raufen sie, tanzen sie?  Das ist nicht die Frage. Borofsky fasziniert die Idee, dass unsere Körper, obwohl sie fest erscheinen, in  Wirklichkeit aus Molekülstrukturen bestehen, die wiederum hauptsächlich aus Wasser und Luft gebildet werden, und er stellt die Leichtigkeit innerhalb unserer festen Körper  meisterhaft dar.

Der Kanzlerin in die Suppe kucken

Biergarten am Reichstag im Zentrum von Berlin


Für uns, die wir auf der Spree daherkommen, ist die Mühlendammer Schleuse das Tor zu Innenstadt. Der Dom, das Nicolaiviertel, die Liebknechtbrücke und die  Museumsinsel (u.a. mit dem Pergamonmuseum) liegen am Weg, dann fließt die Spree an der Rückfront des Reichstages mit seiner neuen Kuppel, der „Zitronenpresse“, vorbei. Die Fußgängerbrücke, die zu den modernen Bundestagsbüros hinüberführt, hat den Spitznamen „Beamtenlaufbahn“ abbekommen.

Hausbootbegegnung auf der Spree


Im Herzen von Berlin windet sich der Fluss in weiten Bögen, er gönnt uns einen langen Ausblick auf die Siegessäule mit dem goldenen Engel an der Spitze und auf das Haus der Kulturen, bekannt als  „Schwangere Auster“. Es folgen Tiergarten und Schloss Bellevue, der Sitz des Bundespräsidenten, und kurz danach zeigt sich auch die weniger schöne Seite dieser Stadt: Kraftwerke, Baustellen, geballte Industrie, doch schon zwei Flusskurven weiter schiebt sich wieder eine grüne Lunge ins Bild, der Park des Charlottenburger Schlosses, der gleichzeitig den Schlusspunkt hinter die  Sehenswürdigkeiten der Stadt setzt, bevor uns die Schleuse Charlottenburg in die Siemensstadt entlässt.

…und dann nischt wie raus zum Wannsee

Auf der Havel zum Wannsee


Bald ist die Havel erreicht, ihre hügeligen Ufer sind bewaldet.  Hier winkt der Grunewaldturm herunter, dort versinken Villen im dichten Grün, bis sich hinter schmucken Halbinseln der Große Wannsee auftut.
Es ist Himmelfahrtstag und es fahren „janz ville Väter uff dem See“. Bunte Hüte und Bier, die Schiffchen sind mit Birkenzweigen geschmückt. Alle amüsieren sich wie Bolle.
Die Berliner nutzen ihr unvergleichliches Naherholungsgebiet ausgiebig, Boote aller Art tummeln sich auf Flüssen und Seen, liegen vor den Ufern oder in kleinen Häfen, knappe hunderttausend sollen es insgesamt sein, die Berlin zur unumstrittenen Wasserhauptstadt machen.

Auf dem Wannsee unterhalb des Grunewald Turms


Nur mit „Pack die Badehose ein“ klappt es noch nicht so recht – das Wetter ist empfindlich kühl. An den Stränden, die die Ufer auflockern, im großen Wannseestrandbad und übrigens auch in der Strandbar an der Spree ist keiner zu sehen.
Kleine Inseln setzen Farbtupfer in die Wannsee-Landschaft. Die größte davon ist die Pfaueninsel. Dort leuchtet das Lustschlösschen von Friedrich Wilhelm II. in strahlendem Weiß aus dunklem Grün, den Park hat der berühmte Gartenarchitekt Lenné gestaltet, von Berlins großem Architekten Schinkel stammen das Kavaliershaus, das Palmenhaus und die Gewächshäuser. Zwischendrin stolzieren ein paar Pfauen  herum. Wer sich reif für die Insel fühlt, muss jedoch die Fähre nehmen, denn vor der Pfaueninsel darf man nicht ankern, geschweige denn dort anlegen Aber schon die Umrundung lohnt sich.
Ein Stück weiter nach Südwesten zweigt der Jungfernsee ab, und bald danach wird die Havel zur Potsdamer Havel. Aber das ist eine andere Geschichte.

Info

Die Basis

Die Kuhnle-Tours - Basis für dieses Revier liegt in Zeuthen, mit dem Auto erreichbar über Berliner Ring, Autobahnabfahrt Königs Wusterhausen. S-Bahn-Verbindung zur Innenstadt Berlins (35 Minuten).
Das Basisteam ist kompetent und informativ, die Boote sind gut gepflegt.

Das Boot

Kormoran 1100 S, Stahl, für bis zu 8 Personen (je 3 in Vorder- und Achterkabine, 2 im Salon), zwei Nasszellen, Kombüse, Salon und Steuerhaus mittschiffs erhöht, zweiter Steuerstand auf dem geräumigen Sonnendeck, Bugstrahlruder, Heckplattform, kein Anschluss für Landstrom, Warmluftheizung, Wassertank 950 l, Schmutzwassertank 1100 l. Dieseltank.

Preise

variieren nach Saison, zwischen Euro 1220.- und 2430.-  pro Woche, Beiboot kostet extra.

Mehr bei Kuhnle-Tours GmbH, Hafendorf Müritz, 17248 Rechlin,
Fon 0049 +3 98 23 2 66-0, Fax 2 66-10,
E-mail: info@kuhnle-tours.de,
internet: www.kuhnle-tours.de

Nautische Unterlagen an Bord

Ein gut gemachter Törnatlas mit Gewässerkarten, die alle wichtigen Hinweise (Betonnung, Schleusen, Anlegemöglichkeiten, etc.) enthalten. Dazu ein Törnplaner  mit ausführlicheren Details, der jedes zweite Jahr aktualisiert wird.. Was die Sehenswürdigkeiten Berlins angeht, sollte man sich einen der zahlreich angebotenen Führer besorgen.

Ankern, Anlegen

In beinahe allen Seen ist freies Ankern erlaubt. Der Grund ist gut haltender, fetter schwarzer Schlick. Es gibt private Anlegestellen vor Restaurants, Clubs, etc., diese sind gebührenpflichtig und durch die „gelbe Welle“ gekennzeichnet. Gemeindeanleger sind gebührenfrei. An Bord liegt eine von der Wasserschutzpolizei verfasste Liste der wichtigsten Anlegestellen.

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